Es ist Anfang Oktober. Ich lieg im Bett und warte darauf, dass der Wecker klingelt. Aus irgendeinem Grund bin ich etwas eher aufgewacht. Endlich! Der Wecker klingelt und das Radio springt an. Es ertönen erstmalig die Klänge zum Weihnachtsklassiker „Last Christmas“! Nicht zu glauben? Doch durchaus! Denn ich bin gerade für ein High School Jahr in den USA und dort ist bekanntlich so vieles anders als bei uns und völlig crazy!
Gut, in Deutschland stehen schon Ende August die Nikoläuse, Adventskalender, Lebkuchen & Co. in den Regalen. Aber wenigstens üben wir uns in den Liedern noch etwas in Geduld und warten bis zur Adventszeit. Zumindest tun dies die offiziellen Radiosender. Es sei aber mal dahingestellt, was nun besser ist. Wenn ich jedoch genauer darüber nachdenke…. Ich könnte nicht mal mehr sagen, wann in den USA die Weihnachtsschokolade in die Regale gestellt wurde. …
Es weihnachtet schon sehr – im Oktober ?!?
Jedenfalls… ich lieg da nun im Bett und weiß, dass jetzt die Weihnachtszeit in den USA eingeläutet wird. Und von diesem Tag an kann ich beobachten, wie alles weihnachtlich wird und sich verändert – die Häuser werden sehr aufwendig und mit viel Liebe ins Detail geschmückt. Weihnachtsplätzchen werden gebacken (die Amerikaner haben dafür sogar einen eigenen Feiertag – der 18. Dezember ist der (National) Bake Cookies Day) und Weihnachtslieder werden immer häufiger im Radio gespielt. Und zum Schluss wird dann das Wetter (hoffentlich) auch weihnachtlicher.
Da ich eine High School außerhalb von Seattle besucht habe, ist das Wetter ziemlich „germany-like“. Zuerst etwas verregnet und herbstlich; gefolgt von Frost und Nebel und dann pünktlich zur Weihnachtszeit kommt der langersehnte Schnee. Die Temperaturen sind dabei ähnlich wie in Süddeutschland (wo ich herkomme). Und in der Nähe meiner „Wahlheimat“ sind auch Berge zum Skifahren. Man kann also auch ganz leicht Weihnachten in den Bergen feiern. Traumhaft schön für die, die es lieben (da gehöre ich jetzt nicht unbedingt dazu).
Das Weihnachten meiner Kindheit
Ich habe schon immer Weihnachten geliebt, ganz besonders die Zeit, in der meine Mom mit uns gebacken und dazu Weihnachtslieder gehört und gesungen hat. Am Heiligabend gab es immer Abendessen und im Anschluss spielten wir gemeinsam ein Spiel. Oftmals ein Spiel, das wir an Weihnachten geschenkt bekommen hatten. Aber dieses Feeling, das aufkommt, wenn man Weihnachten in den USA verbringt; das ist einfach unbeschreiblich und ganz anders. Die ganzen Lichter, Rentiere und Weihnachtsmänner, die vor den Häusern und auf den Dächern angebracht werden. Absolut Klischee, aber einfach so schön. Und man kann gar nicht anders als in Weihnachtsstimmung zu kommen und über sämtliche Backen zu grinsen.
Wusstest du schon…
… wie hoch der Stromverbrauch der Amerikaner/Deutschen zu Weihnachten ist?
Um das „Klischee“ mit Fakten zu untermauern: wusstet ihr, dass in den USA jährlich 6,6 Milliarden Kilowattstunden für die Weihnachtsbeleuchtung (und nur für diese!!!) ausgegeben werden! Krass oder?! Im Vergleich: in Deutschland „beschränkt“ sich der Stromverbrauch auf 820 Millionen Kilowattstunden. Das der Verbrauch jedoch in den USA so immens ist, liegt ganz klar an der schon genannt üppigen Weihnachtsdekorierungen, die an, um und in den Häusern angebracht wird. In Deutschland bilden „diese“ Häuser die Ausnahme. In den USA hingegen bilden die Häuser, die NICHT weihnachtlich dekoriert sind, die große Ausnahme.
Aber wenn wir diese Fakten nun ausklammern, dann ist es einfach schön wie das Lichtermeer der ganzen Häusersiedlungen aussieht. Die Häuser erstrahlen in ihrem einzigarten Glanz, manche sogar mit weihnachtlicher Hintergrundmusik und manche wiederum mit Kunstschnee (wenn der Schnee auf sich warten lässt). Mit viel Glück (in Seattle oft der Fall) fällt dann auch rechtzeitig zur Weihnachtszeit der erste Schnee. Das ist dann das I-Tüpfelchen und die Weihnachtsstimmung und -vorfreude steigt ins Unermessliche.
… welch EINE Gabe sich Amerikaner sogar im Erwachsenen-Dasein erhalten?
Dieses Feeling wie ich es vorher geschildert habe. Wenn ich es beschreiben müsste, dann am ehesten als eine kindliche Vorfreude, die viele Erwachsene beim Heranwachsen verlieren. Das Herz hüpft vor Freude und das Lächeln ist nicht aus dem Gesicht wegzudenken. Die Kinder schreiben ihre Weihnachtswunschzettel, die sie dann Santa Claus vorbeibringen. Sie dürfen sich dann auf seinem Schoß setzen und ihm nochmals mit Nachdruck ihre Wünsche schildern. Und Kindern fällt immer etwas ein, was sie sich wünschen. Diese Tradition, die in den USA gelebt und erst mit den Jahren auch in Deutschland – zumindest in größeren Städten, angeboten wird, finde ich soooo schön. Das macht das Heranwachsen und die Kindheit so richtig besonders.
Aber noch schöner wie das wünschen, finde ich immer diese absolute Überzeugung, dass genau DAS Geschenk bzw. die Geschenke auch am Weihnachtsmorgen vor der Tür bzw. unter dem Kaminsims stehen – ganz ohne Zweifel! Dieses kindliche Urvertrauen und der Glaube an den Santa Claus, der einfach ALLES ermöglicht, dass sollten wir uns auch beim Heranwachsen erhalten. Amerikaner, auch Erwachsene, können dies ziemlich gut. 2012 lag der Weihnachtsumsatz bei den Amerikanern bei 600 Mrd. Dollar; der Weihnachtsumsatz der Deutschen lag 2012 bei 80 Mrd. Euro (ich hätte euch an dieser Stelle gerne den Umsatz für 2002 angegeben, aber den konnte ich im worldwide Web einfach nicht herausfinden).
… dass in den USA der Glaube noch ganz anders “zelebriert” wird?
2002 habe ich mich oft gefragt, was der Sinn von Weihnachten für die amerikanischen Kids wohl ist. Reinweg das Erhalten von Geschenken (und glaub mir, dass sind nicht gerade wenige) oder kennen sie auch den christlichen Hintergrund. JA, das tun sie durchaus. Sie gehen in die Kirche und das JEDEN Sonntag. Und ich durfte erfahren, dass die Amerikaner den Gang zur Kirche noch viel ernster nehmen. Die ganze Familie geht jeden Sonntag zur Kirche. Für die Eltern ist es super entspannend, denn die Kinder gehen während der Kirche zur Bibelstunde. Dort werden sie spielerisch unterhalten und die biblischen Texte werden ihnen näher gebracht bis sie alt genug sind, um an der Messe teilzunehmen. In Deutschland ist der Gang zur Kirche eine quasi „vom Aussterben bedrohte Art“, da meist nur noch die ältere Generation zum Glauben in die Kirche geht. Zumindest ist das meine Erfahrung.
Meine Gastoma war zufällig auch katholisch (die Mehrheit, also 43,2%, sind Protestanten; Stand 2018). So kam es, dass ich ein Stück „Heimat“ erleben und mit ihr zur Mitternachts-messe am heilig Abend in die Kirche gehen durfte. Die Weihnachtsgeschenke gab es dennoch erst am 25. Dezembermorgen, denn dies ist in den USA der normale Alltag. Gleich nach dem Aufstehen wird ausgepackt und gespielt, angezogen oder wie auch immer die Geschenke ausfallen bzw. welchen Nutzen man aus ihnen ziehen kann. Und erst dann gibt es ein riesen Frühstück. Im Anschluss genießt man den Weihnachtstag – vorm Kamin, im Schnee oder wie auch immer. In meinem Fall ging die Gastfamilie ins Kino, doch ich hatte keine Lust, da mich der Film nicht interessierte.
… was es mit den Socken am Kaminsims auf sich hat?
Ein weiterer Brauch in den USA sind die Socken, die an den Kaminsims angebracht werden. Auf diesen Socken sind die Namen der einzelnen Familienmitglieder aufgestickt. Witziger-weise sollen die Socken mit kleinen und großen Geschenken befüllt werden, was aber nach dem Umsatz den ich euch aus dem Jahr 2012, weiter oben genannt habe, kaum vorstellbar ist. Vermag dort annähernd ein Geschenk, geschweige mehrere reinpassen? Nein, daher wird er heutzutage symbolisch aufgehängt und mit Nüssen, Obst oder dergleichen gefüllt. Die einen hängen es am Heilig Abend auf; manche aber auch schon nach Thanksgiving.
… dass es die Adventszeit in den USA so gar nicht gibt?
Die Adventszeit ist, wie ich finde, in Deutschland die schönste Zeit. Jeden Sonntag vor Weihnachten eine Kerze zu entzünden bis 4 Kerzen brennen und klar ist, Weihnachten steht unmittelbar bevor. Am besten werden diese Adventssonntage noch mit leckeren Keksen, ein paar Weihnachtsliedern und einem warmen Punsch zelebriert. Völlig gleich, ob das nun zu Hause ist oder auf einem Weihnachtsmarkt. Wenn dann schon der erste Schnee fällt, ist das das Sahnehäubchen in dieser schönen Zeit. Traumhaft.
In Amerika gibt es jedoch keine Adventszeit in dem Sinne. Bei ihnen beginnt die Weihnachtszeit mit Beendigung des Thanksgivings. Und mit dem Black Friday, der Tag nach Thanksgiving, wird dann auch offiziell mit dem Weihnachts-Sale gestartet. Von da an wird der Countdown gezählt und wie schon oben genannt, geschmückt und dekoriert, was das Zeug hält.
Wie ich Weihnachten in der Gastfamilie erleben durfte
In meiner Gastfamilie gab es diese Socken, den Weihnachtsbaum, den Gang zur Kirche – fast das volle Programm. Ich habe mich daher auch sehr wohl gefühlt, da diese Traditionen und dieses Weihnachtsfeeling mich freudig gestimmt haben. Natürlich habe ich trotzdem meine Familie in Deutschland zu dieser Zeit auch sehr vermisst. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich auch eine Zwillingsschwester habe, die zu Hause auf mich „wartete“. Daher war es wirklich nicht leicht für mich. Aber ich hatte mich für diesen Weg entschieden und ich würde mich wieder so entscheiden. Und jeder, der vor dieser Entscheidung steht, kann ich nur darin bestärken diesen Schritt zu wagen, es lohnt sich.
Mein Fazit: Leben in den USA – besonders zur Weihnachtszeit
Abschließend möchte ich noch sagen, dass der erste Blick oft täuscht und vermuten lässt, dass die Amerikaner Weihnachten nur feiern, um Geschenke zu kaufen und die Kinder (und auch Erwachsene) eine Freude zu machen. Aber wenn man sich die Mühe macht, hinter die Fassade blickt und die „harte“ Schale entfernt, kommt man an den weichen Kern und sieht schnell, dass die Amerikaner, wenn sie einer Religion angehören, den Glauben tatsächlich noch mehr leben als wir Deutschen. Und dass sie sich auch als Heranwachsende den Glauben an das WÜNSCHEN nie verloren haben. Und davon dürfen wir uns gerne eine Scheibe abschneiden. Das Leben ist so schön, wenn man mit dem Glauben und dem Urvertrauen durch die Welt geht, dass sie einem gehört und ALLES möglich ist.